Rüstungsaluminium wurde neben der direkten Konversion von militärischen Objekten und der Nutzung von Blechen und Rohren für 'kalte' Spengler- und Schlosserarbeiten in höchstem Maße als Rohstoff eingeschmolzen, um daraus neuen Hausrat zu gießen.
Aluminium war in der Rüstungsindustrie, vor allem für den Bau von Flugzeugen und andern Geräten, bei denen ein geringes Gewicht von Bedeutung war, in hohem Maße eingesetzt worden. Zudem galt es als Ersatzmaterial für das knappe Messing. Es war bei einem Schmelzpunkt ab 650 Grad leicht zu verarbeiten.
Ich möchte hier weniger auf die industrielle Nutzung dieser Aluminium-Ressourcen eingehen. Sie unterscheidet sich nicht wesentlich von Stücken aus der Vorkriegszeit oder den 50er Jahren. Ein Hinweis auf solche Fertigung ist meistens der Umstand, dass die Stücke eben aus Aluminium sind, während sie zu anderen Zeiten aus Stahl oder Messing gefertigt wurden.
Viele Handwerker konnten sich die notwendige Ausrüstung zum Einschmelzen von Aluminium beschaffen. Natürlich waren Schmiede hierzu prädestiniert. Aber auch Spengler-, ja sogar Schreinerbetriebe boten die Voraussetzung zur Herstellung von Aluminiumwaren.
Schmiedebetriebe besaßen schon immer Schmelztiegel, aber auch Spengler hatten solche, um Zinnreste zu Lötstangen zu gießen und Schreiner hatten Gusstiegel, um Knochenleim zu schmelzen und waren zudem am ehesten in der Lage Holzmodelle zum Abgießen herzustellen. Im übrigen reichte ein einfacher Topf aus Gusseisen, um darin Alumimium zu schmelzen, notfalls sogar auf dem Küchenherd.
Der Herstellungsprozess von Gussware war dabei recht einfach. Man nahm einen vorhandenen Topf oder anderen gewünschten Gegenstand, drückte diesen in öligem Sand ab und konnte so, mit etwas Kenntnis des Abformens, mit sehr einfachen Mitteln neuen Hausrat gießen. Aluminiumschrott lag überall herum, teils lagen noch abgeschossene oder abgestürzte Flugzeuge auf Feldern und in Wäldern.
Aluminiumschrott eines 1944 bei Büdingen abgeschossenen Lancaster Bombers, noch 1995 anlässlich einer Ausstellung zur 50. Wiederkehr des Kriegsendes mit bloßen Augen im Wald gefunden.
Allerdings konnte das Handwerk nicht die Bedingungen schaffen, die Vorraussetzungen einer handwerklich optimalen Qualität sind. In erster Linie bestand kaum die Möglichkeit, die Schmelztemperatur genau zu regeln.
- Einerseit wurden verschiedene Aluminiumlegierungen mit verschiedenen Schmelzpunkten gemeinsam eingeschmolzen.
- Zweitens konnte natürlich mit offenem Feuer keine genaue Temperatur geregelt werden. Genauer gesagt, wurde praktisch immer eine zu hohe Temparatur verwendet.
- Das lag drittens auch daran, dass der Temparaturverlauf im Schmelzgut nicht gleichmäßig war. Direkt an der Feuerstelle verkochte das Aluminium bereits, wenn es etwas weiter oben noch lange nicht geschmolzen war.
Die Folge hiervon war reichlich Schlacke- und Schlierenbildung im Schmelzgut. Die Endprodukte weisen durch Schlackeeinschlüsse eine teilweise löchrige Oberfläche auf. Das konnte so weit gehen, dass schon im neuen Guss ein Loch war, das dann ausgebohrt und zugenietet werden musste. Aber es gab auch Fälle, in denen die Schlackeeinschlüsse nicht am Rand lagen, sondern unter einer dünnen Aluminiumschicht verborgen waren. Das konnte insbesonders bei Töpfen, in denen mit Salzwasser gekocht wurde, nach einiger Nutzungsdauer dazu führen, dass der Topf auf einen Schlag undicht wurde, weil das Salzwasser die dünne intakte Haut zerfressen hatte und dann durch den Schlackeeinschluss nach außen lief.
Das nächste Problem war der Formsand, den man natürlich nicht hatte. Allenfalls wurde normaler Mauersand oder gar Lehm verwendet. Hierbei war Lehm weniger geeignet. War er feucht, kam es während des Gießens zu regelrechten Verpuffungen, da das im Lehm enthaltene Wasser schlagartig verdampfte und das flüssige Aluminium aus dem Eingusstrichter zurückschleuderte. Ließ man es trocknen, so war das ein langwieriger Prozess ansonsten wurde die Oberfläche rissig. Man musste daher zu Pulver vermahlenen, getrockneten Lehm mit Öl binden, um zu guten Ergebnissen zu kommen
Schneller, wenn auch zu einem gröberen Ergebnis führend, war die Nutzung von gesiebtem Mauersand.
Das führte allerdings zu einem Gussstück mit rauher Oberfläche.
Auf Grund der oben genannten Herstellungsprobleme, weisen die Nachkriegsprodukte aus Aluminiumguss typische Merkmale auf. Im Allgemeinen mehrere der nun beschriebenen Merkmale gleichzeitig.
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a) Die Grundvoraussetzung für einen Guss ist das Vorhandensein eines Modells. Für Hausrat, der stark verbreitet war, war es sicher nie ein Problem, ein altes Objekt als Vorlage, bzw. Modell aufzutreiben. Schwieriger war es, sollte etwas nachgegossen werden, was schon vor Kriegsende nur wenig vorhanden war, z. B. ein Topf in einer besonders großen Form. Hier musste man notfalls auf eine Vorlage als Modell zuückgreifen, die selbst bereits Schäden aufwies, bzw. defekt war. Das Beispiel zeigt den Deckel eines großen Brätertopfs, der von einem Deckel abgeformt wurde, der selbst zerbrochen war. Deutlich kann man die im Abguss abgebildete Trennlinie zwischen den beiden Teilen der zerbrochen Vorlage erkennen.
- b) Die Verwendung von nicht optimalem Formsand führte zu einer pickeligen Oberfläche. An diesem Deckel kann man auch erkennen, dass die Formgebung durch unsauberen Abdruck oder Nachbearbeitung der Form gewisse Unregelmäßigkeiten aufweist.
- c) Gussfehler, die sich durch die geringe Haltbarkeit des Formsands beim Einguss ergaben. Hier Auswaschung an der Unterform gegenüber dem Eingusstrichter. (Siehe auch Punkt e) )
- d) Das Problem der nicht einhaltbaren optimalen Verarbeitungstemperatur und das Fehlen von Flussmitteln führte zu Schlierenbildung an der Oberfläche. (hier zudem auch Auswaschung)
- e) Es wurden praktisch immer 2-teilige Gussformen verwendet. Einteilige Formen für ein Herdgussverfahren wären möglich, jedoch sind Produkte, die nach dieser Methode gegossen wurden, zur Zeit unbekannt. Bei einer 2-teiligen Gussform befindet sich in der Oberform ein Eingusstrichter. Wird nun die Gussform gefüllt, so muss dieser Trichter beim Guss mit gefüllt werden, da das Metall in der Form beim Erkalten sein Volumen verkleinert. Das Werkstück hat so die Möglichkeit, beim Erkalten flüssiges Material aus dem Gusstrichter nachzuziehen. Dadurch befindet sich an gegossenen Teilen immer ein Gusstrichter. Typisch für Nachkriegsprodukte ist, dass die Position der ehemaligen Gusstrichter praktisch immer sichtbar ist. Oft wurden die Trichterhälse nicht einmal vollständig entfernt, teils deren Reste mit einer groben Feile verschliffen.
Deutlich erkennt man an dem Beispiel unten auch Löcher in der Oberfläche, die durch Schlackeeinschlüsse während des Gusses bedingt sind. Zu beachten ist dabei das sichbare Loch im Rest des Gusstrichters. Dieser Einschluss war vor Absägen des Gusshalses mitten im Schmelzgut, Ebenso befinden sich mit Sicherheit auch innerhalb der Wandung der Form Schlackeeinschlüsse, die je nach Größe dazu führen können, dass die das Gussteil später undicht wird.
(Achtung, es gibt von Gugelhupfformen mit verschieden Oberflächen neue Nostalgie-Fertigungen, die allerdings nicht die 'Fehler' der Nachkriegsmodelle aufweisen.)
- f) Als typischtes Merkmal gelten generell starke Feilspuren am Objekt. Durch die ungenauen Formen oder Übergänge, z.B. an Henkeln und Bodenflächen, war ein Nacharbeiten der Produkte notwendig. Da die Nachfrage nach Gusswaren so groß war, machte man sich nicht die Mühe, die Produkte nach ästhetischen Gesichtspunkten zu bearbeiten, sondern es reichte, wenn das Produkt funktionellen Ansprüchen genügte.
Das bedeutete, dass nur alle scharfkantigen Stellen überfeilt, Grade entfernt und die Gusshälse abgesägt und geglättet wurden. Typischerweise wurde das mit einer groben Schlichtfeile gemacht, die deutliche Spuren hinterlies.
- g) Selten zu finden sind Alugussteile, die bereits bei Herstellung repariert wurden, weil ein größerer Schlackeeinschluss ein Loch hinterlassen hatte. In diesem Falle wurde das Loch ausgebohrt und ein Aluminiumstück eingeschmolzen. Es gibt auch Stücke, in denen Löcher durch Alunieten abgedichtet wurden. Das war weniger aufwändig.
Im kleingewerblichen Rahmen wurde allerdings nicht nur Aluminium, sondern auch Zink, z.B. von Dachrinnen zerbombter Häuser oder Wehrmachtsschrott eingeschmolzen. Ich möchte hier als Beispiel einen Nassrasierer zeigen, an dem sich ein weiteres Erkennungsmerkmal von Nachkriegs-Abgüssen darstellen lässt.
Bei diesem Rasierer wurde ein Vorkriegsmodell abgeformt, ohne jedoch dessen Funktion zu übernehmen. Bei dem Vorkriegsmodell diente die Rändelschraube am Ende des Griffes zum Öffnen des Klingenhalters. Hier ist sie als Verzierung des Griffes ohne jede technische Funktion mit abgegossen worden.
Liste mit Beispielen hier
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