Rüstungskonversionen 1945 - 1948 der Stufe C

Hier werden wir nach und nach einige exemplarische oder ungewöhnliche Konversionsobjekte der Stufe C, also der Konstruktionsstufe vorstellen.
In dieser Stufe ist das Rüstungsmaterial selbst noch im Wesentlichen unverändert und gut erkennbar. Es wurden lediglich mit einfachsten Werkzeugen Teile entfernt und weitere Teile von anderen Materialien ergänzt.
In diesem Bereich kommen private Anfertigungen, gewerbliche Kleinserien und industrielle Produktionen vor. Leicht sind 'primitive' Konversionen aus Kriegsgefangenenlangern oder aus Privathaushalten erkennbar, die ohne oder mit unzulänglichem Werkzeug vorgenommen wurden. So wurden in Gefangenenlagern oft Gefäße zwischen zwei Steinen gehämmert, vernietet und ausgetrieben. Siebe, Schöpfkellen und Kartoffelreiben wurden mit einem Nagel gelocht.
Eine Abgrenzung ist aber oft nicht möglich und erfordert zusätzliches Wissen.
Bei Emailleware kann man aber praktisch immer davon ausgehen, dass es sich um eine industrielle Produktion handelt.

Wenn auch seltener, so stößt man aber auch bei der Einstufung offen als Rüstungskonversionen erkennbarer Objekte mitunter an Grenzen. Das liegt daran, dass es zu allen Zeiten usus in Armeen war, zum Zeitvertreib oder mangels Kaufmöglichkeit, Objekte aus aufgelesenem Kriegsschrott zu fertigen. Zum eigenen Gebrauch, als Tausch- und Handelsware, als Geschenke oder als persönliches Andenken. Besonders verbreitet war dieses Phenomen in der Zeit des Grabenkrieges des ersten Weltkrieges (1916-1918). Diese Objekte werden daher auch als Grabenkunst benannt. Fast immer sind sie daran zu identifizieren, dass sie mit Ort und Datum, teils zusätzlich mit Namen versehen sind. Aber eben nur fast immer.
Wurden Objekte als reine Bedarfsstücke hergestellt, so fehlen solche Kennzeichnungen mitunter. Zudem war eben die Zeit nach dem 2. Weltkrieg nicht die einzige 'Deutsche Notzeit'. Die Armut war nach dem 1. Weltkrieg nicht minder, sondern nur anders gelagert, weil der Krieg den deutschen Boden kaum erreichte und hier weniger Zerstörung der zivilen Strukturen stattgefunden hatten. Aber es herrschte durch die Last der Reparationskosten und der Auszehrung durch den Krieg eine erhebliche Not, die auch seinerzeit zur Verwertung noch vorhandener Militärhinterlassenschaften führte. Stammt nun ein Ausgangsprodukt einer Konversion aus dem 2. Weltkrieg, so ist die Identifikation problemlos. Stammt das Ausgangsobjekt allerdings aus dem 1. Weltkrieg, so liegt die Sache schon anders, denn natürlich gab es nach 1945 noch original militärische Objekte des 1. Weltkrieges in vielen Haushalten, ja teils waren sie sogar noch im 2. Weltkrieg in militärischen Gebrauch. Sicher kann man sein, dass nach 1945 keine fabrikmäßigen Konversionen aus Material des 1. Weltkriegs stattfanden. Eventuelle Restbestände des 1. Welkriegs wurden bereits während des 2. Weltkrieges aufgebraucht. Aber zivile Konversionen? Sie kamen natürlich vor und sind praktisch altersmäßig nicht einzustufen, wenn nicht besondere Merkmale vorliegen, z.B. Ergänzungen mit Material, das erst während des 2. Weltkrieges zur Verfügung stand, Gravuren etc..
Ich möchte hier ein Beispiel anführen, ein Küchenmesser oder Fahrtenmesser, gefertigt aus einem Bajonett 98k 2. Art von 1917.

Konversion Fahrtenmesser gefertigt aus Bajonett 98k

Befund: Es handelt sich um ein Bajonett 84/98 2. Art (ab 1934 Bajonett 98k), entsprechend seiner militärischen Abnahme gefertigt von der Firma 'Gottlieb Hammersfahr Solingen' und 1917 von der Preußische Armee übernommen. Die ursprünglich 25cm lange Klinge wurde um 15,5cm gekürzt. Zugleich wurde die Klinge dünner und kleiner geschliffen. Am Griff wurde der gesamte Knauf mit der Aufpflanzvorrichtung abgesägt. Die Scheide, in der das Messer aufgefunden wurde, entspricht von der Form der Scheide des HJ-Messers aus der Zeit ab 1934. Allerdings ist die Scheide dünner und kleiner. In der Klingenhöhe entspricht die Scheide eher einer Scheide zum Grabendolch des 1. Weltkrieges. Allerdingst gab es solche Grabendolche als 'Nahkampfmesser' auch noch im 2. Weltkrieg, z.B bei der SS.

Konversion Fahrtenmesser gefertigt aus Bajonett 98k
Oben Scheide des HJ-Messers, Mitte Konversionsmesser, unten original Bajonett 84/98 2.A.


Nach dem Befund ergeben sich 4 Möglichkeiten:

1.) Es handelt sich um ein mit einfachen Mitteln in einem Schützengraben des 1. Weltkrieges aus einem im Kampf abgebrochenen Bajonett gefertigtes Gebrauchsmesser, dem eine zufällig gefundene und passende Scheide eines nicht ordonanzmäßigen Grabendolches beigefügt wurde.
Dagegen spricht, dass es im 1. Weltkrieg einen erheblichen Mangel an Bajonetten gab und abgebrochene Stücke üblicherweise repariert und militärisch neu eingesetzt wurden. Außerden erfolgten Grabenproduktionen oft unter sehr viel Zeiteinsatz, sind daher sorgfältiger verarbeitet und fast immer mit den Initialen des herstellenden Soldaten versehen.

2.) Denkbar ist natürlich auch eine zivile Fertigung aus der Notzeit nach dem ersten Weltkrieg, also ein reines Haushaltsmesser, gefertigt aus einem Bajonett, das ein Familienmitglied nach Kriegsende mit nach Hause brachte.
Dagenen spricht, dass es keinen Sinn macht, für Küchenmesser eine Scheide beizufügen. Aber diese könnte ja auch später ergänzt worden sein.

3.) Die dritte Möglichkeit schließt hier direkt an. Nach dem 1. Weltkrieg sammelten sich viele Deutsche Männer in Veteranenvereinen bzw. paramilitärischen oder politischen Gruppierungen. Im gleichen Sinne wurden die männlichen Kinder erzogen. Zur Uniform einer Jugendgruppe - um nur einige der zig Gruppierungen - wie Wandervögel, Pfadfinder, Deutsche Jugendkraft, Scharnhorstbund, kommunistische Jugendinternationale, Kolonialjugend, Kyffhäuser-Jugendbund, Jungstahlhelm, Jungsturm Adolf Hitler und natürlich die Hitlerjugend, in die ab 1934 alle konkurrierenden Jugendgruppen per Gesetz überführt wurden, zu nennen, gehörte ein Fahrtenmesser. Nun waren allerdings viele Familien zu arm, um ihren Kindern eine fabrikmäßig gefertigte Uniform kaufen zu können. Die Uniformen wurden daher selbst geschneidert und auch, wenn auch selten, das Fahrtenmesser wurde aus vorhandenem Material selbst gefertigt. Diese Stücke sind sehr selten, da sie häufig früher oder später gegen ein kommerzielles Messer ausgetauscht wurden. Aber wir besitzen in unserer Sammlung ein weiteres, durch Hoheitszeichen der Luftwaffe eindeutig als Fahrtenmesser eines Mitglieds der Flieger-HJ identifizierbares Exemplar. Es könnte sich daher bei diesem Konversionsmesser um ein Jugend-Fahrtenmesser der Zeit 1920 bis 1934 handeln.

4.) Es könnte sich auch um eine Konversion aus der Zeit 1945 bis 1946 handeln, wobei hier die Möglichkeit einer Lagerfertigung oder einer zivilen Fertigung in Frage kommt.
Nach dem 1. Weltkrieg war es Deutschland gestattet, weiterhin ein Heer mit 100.000 Soldaten zu besitzen, die Reichswehr. Diese war mit Infantriewaffen aus den Beständen des 1. Weltkriegs ausgerüstet. Ab 1934 wurde dieses Heer zur Wehrmacht ausgebaut. Viele der Soldaten, die noch aus den Tagen der Reichswehr stammten, behielten - teils nach geringfügigen Änderungen - ihre alten Uniformen und Ausrüstungsstücke. So wurden auch Bajonette des 1. Weltkrieges natlos von der Wehrmacht weiterverwendet, denn sie passten unverändert auch auf das Mauser Gewehr des 2. Weltkriegs und waren im Aussehen nahezu identisch dem 2. Weltkriegs Bajonett. Daher standen auch Bajonette des 1. Weltkriegs für eine eventuelle Konversion nach 1945 zur Verfügung. Aber es ist auch denkbar, dass erst nach dem 2. Weltkrieg ein von einem Soldaten 1918 mit nach Hause gebrachtes Bajonett in der großen Not für zivilen Nutzen umgebaut wurde. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass die Konversion erst um oder nach 1950 erfolgte, ev. um dem Kind ein 'Pfadfindermesser' geben zu können.
Ansonsten spricht das Vorhandensein einer Scheide gegen eine zivile Fertigung, da sie bei einem Haushaltsmesser keinen Sinn macht. Aber die Scheide könnte auch noch kurz vor unserem Ankauf zu Beginn von 2007 von einem Militariasammler zum Zwecke der besseren Verkaufsmöglichkeit willkürlich ergänzt worden sein?
Für eine Lagerfertigung spricht die Kürze der Klinge und das Entfernen des Knaufes mit der für ein Bajonett typischen Aufpfanzvorrichtung. Durch beides sind dem Messer die Möglichkeit, dieses als Waffe verwenden zu können, weitgehend genommen. Allerdings war in vielen Gefangenenlagern der Besitz von Messern aller Art verboten. Zudem wäre es problematisch gewesen, das Bajonett als Ausgangsprodukt zu beschaffen. Aber vielleicht hatte es sich ja bereits um ein durch Abbrechen der Klinge demilitarisiertes Stück gehandelt. So demilitarisierten die Amerikaner häufig Bajonette, in dem sie einfach die Klinge mit einem Schweißbrenner in der Mitte durchschnitten.
Für ein Messer aus einem Lager spricht wiederum gerade die Scheide, da der Besitz eines Messers in einem Lager selten und von erheblichem Wert war, wurden solche Dinge immer 'am Mann' getragen, um einen Diebstahl ausschließen zu können. Aus gleichem Grunde wurden solche Stücke aber auch immer mit den Initialen des Besitzers versehen, die hier fehlen. Das könnte aber auch bedeuten, dass der 'möglicherweise illegale Besitzer' bei eventuellem Fund durch die Lagerbewachung bewusst keinen Hinweis auf den ehemaligen Besitzer liefern wollte.

Abschließend bleibt daher nur die Feststellung, dass es sich ohne Zweifel um eine Konversion aus einer militärischen Waffe handelt, eine weitere zeitbezogene und zweckerklärende Zuordnung aber nicht möglich ist.



© horst decker