Reparatur, Wiederverwertung und Änderung der Stromspannung bei Glühbirnen

Glühbirne 1946


In der heutigen Zeit, in der man einen 3er Pak Glühbirnen für weniger als einen Euro im Sonderangebot kaufen kann, klingt es unrealistisch, dass es zwischen Kriegsende und der Währungsreform notwendig war, defekte elektrische Glühbirnen aufwendig zu reparieren, um überhaupt die Versorgung mit elektischem Licht wiederherzustellen, sofern sie vor dem Krieg überhaupt vorhanden war.

Betrachtet man die Elektrifizierung der Ortschaften in Deutschland, so begann diese in den Städten bereits vor 1900, was allerdings nicht bedeutete, dass es selbstverständlich war, dass in den Ortschaften, die an das Elektrizitätsnetz angeschlossen waren, auch alle Häuser, ja überhaupt ein nennenswerter Prozentsatz der Häuser mit elektrischem Strom versorgt war. Nach wie vor war Elektrizität nur eine mögliche Energiequelle, denn außer dem Licht gab es ja für private Haushalte kaum Stromverbraucher. Daher waren Petroleumlampen oder Gaslichter für einen großen Teil der Bevölkerung durchaus eine Alternative, die den Vorteil des elektrischen Lichtes mit dem Nachteil der Anschlusskosten an das Stromnetz aufwog. Noch zu Ende der 60er Jahre des 20ten Jahrhunderts gab es Aussiedlerhöfe, die wegen der hohen Leitungserstellungskosten keinen elektrischen Strom besaßen, bzw. Mühlen, die ihren eigenen Strom produzierten.

Ursprünglich sollte der Aufbau des Deutschen Stromnetzes soweit es die Anbindung der Ortschaften betraf, in der Zeit 1910-1920 abgeschlossen sein.
Durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges kam dann allerdings der Ausbau des Stromnetzes zum Erliegen. Viele kleinere Orte blieben ohne Stromanschluss.
Durch die dem 1. Weltkrieg folgende Weltwirtschaftskrise und Rezession blieb es bis in die 30er Jahre bei diesem Zustand.
Dann begannen viele kleine Gewerbebetriebe, die selbst auf Strom angewiesen waren, kleine und kleinste lokale Netze aufzubauen. Fast alle Mühlen installierten Generatoren und stellten in geringem Maße auch für die Nachbarschaft Strom zur Verfügung. Sägewerke, die ebenfalls mit Wasserkraft arbeiteten, aber auch häufig Dampfmaschinen betrieben, belieferten ganze Ortschaften bis weit in die Nachkriegszeit mit Elektrizität (z.B. Sägewerk Rückershausen /Untertaunuskreis - heute Aarbergen). Auch Brauereien, wie die regionale Brauerei Heckelmann und Kuhn in Hahnstätten bei Diez, produzierten mittels Dampfmaschinen Strom für den Eigengebrauch und versorgten mit dem Überschuss ihre Gemeinde.
Zwar waren die Leistungen dieser Stromversorger nach heutigen Gesichtspunkten gering, aber auch der Verbrauch war nicht besonders groß, denn, wenn Häuser in dieser Zeit Stromanschlüsse besaßen, so beschränkten sich die Verbrauchsquellen auf maximal eine, meist 25 Watt, Glühbirne pro Zimmer und vielleicht einen Radioaschluss pro Haus. Viele Zimmer hatten nicht einmal eine Steckdose. Zudem gab es zeitliche Stromsperren und leistungsabhängige Strombegrenzer, die bei mehr als 100 Watt Verbrauch den Strom abschalteten. Sogenannte 'Hampelmänner', da diese Begrenzungsrelais natürlich nach dem Abschalten einen Verbrauch von Null registrierten und wieder anschalteten, um dann, wenn der Verbrauch inzwischen nicht gesunken war, wieder abzuschalten. Aber immerhin bewirkte das Flackern des Lichtes dann, dass die Hausbewohner die zu vielen Stromverbraucher abschalteten. Denn Mehrverbrauch stand unter Strafe. Die Energie sollte im weitesten Maße der Industrie zum Aufbau der Volkswirtschaft dienen.

Aber unabhängig von der Möglichkeit, elektische Engergie zu nutzen, war es natürlich freie Entscheidung der einzelnen lokalen Stromanbieter, welche Generatoren sie anschafften. So gab es in größeren Orten Stromnetze mit verschiedenen Betriebsspannungen, ja sogar Mehrfamilienhäuser, in denen in verschiedenen Wohnungen verschiedenen Stromnetze installiert waren.
Verbreitet waren 110 Volt Netze, allerdings sowohl Gleichstrom- als auch Wechselstromnetze. Es gab 220Volt Gleichstrom- und 220Volt Wechselstromversorgung. Hinzu kam Kraftstrom für Gewerbebetriebe mit 3 Adern zu 110 Volt, was dann einem 220 Volt Drehstrom entsprach und den 380 Volt Drehstrom, der aus 3 Phasen zu 220 Volt besteht.

Betrachet man nun die Stromversorgung für das Hauslicht, so spielt es für die Glühbirne keine Rolle, ob sie mit Gleichstrom oder Wechselstrom betrieben wird. Allerdings muss sie entweder für den Gebrauch von 110 Volt oder für 220 Volt eingerichtet sein.

Nun war es ja das Problem, dass unmittelbar nach dem Krieg kaum eine industrielle Fertigung möglich war.
Die Glasindustrie war aus zweierlei Gründen nicht in der Lage, Glaskolben für die Produktion von Glühbirnen zu liefern. Alle Betriebe hatten letztlich im 2. Weltkrieg für den Rüstungsbedarf produziert und waren daher alle Ziele der Alliierten Bombardierungen gewesen.

So galt Glas teilweise als Ersatzstoff für Metall. So wurden z.B. Knöpfe für Wehrmachtsjacken aus Glas hergestellt, um das Aluminium für die Flugzeugproduktion zu sichern.

Luftwaffenknöpfe aus Glas
Glasköpfe von Luftwaffen-Tarnjacken


Aber die Glasindustrie produzierte auch Schützenminen. Diese waren besonders tückisch, denn sie waren, da sie nicht aus Metall bestanden, nicht mit Minensuchgeräten zu orten.
Wehrmachtsmine aus Glas
Deutsche Glasmine M43


Daher waren viele Glashütten in der unmittelbaren Nachkriegszeit überhaupt nicht produktionsfähig. Allerdings hätten sie als stark energieabhängige Industrie auch mangels Kohle und Elektrizität überhaupt nicht produzieren können, denn die Gruben, in denen im Kriege viele Zwangsarbeiter eingesetzt worden waren, waren mangels Arbeitskräften und ebenfalls mangels Energie überhaupt nicht betriebsfähig.

Nun war es natürlich möglich, Glühbirnen aus dem Ausland einzuführen. Zur Lieferung war allenfalls Amerika in der Lage, denn die Situation war in den anderen europäischen Ländern nicht anders als in Deutschland. In Amerika wurde das Stromnetz, wie noch heute, mit 110 Volt betrieben. Zudem mussten zum Import von Glühbirnen Devisen aufgewendet werden, die kaum zur Verfügung standen.

Es wurden daher zwei Wege beschritten. Es wurden 110Volt Glühbirnen aus dem Ausland bezogen, und soweit 220Volt Birnen benötigt wurden, unten aufgeschmolzen und die kurzen dicken 110Volt Glühwendel wurden durch lange dünne 220 Volt Wendel ersetzt.
Außerdem wurden defekte Glühbirnen wieder repariert und dabei, je nach Bedarf, für 110Volt oder 220 Volt eingerichtet.

Die Firma Dr. Fischer in Limburg bot die Abgabe einer reparierten Glühbirne gegen 5 defekte Glühbirnen an, um an die zur Produktion 'neuer' Birnen benötigten Gaskolben zu kommen.

Zeitungsartikel 1946


Fast gleichzeitig erhielt die Glasfabrik Funke & Bäcker in Oberhausen wieder die Betriebserlaubnis zur Produktion von Glaskolben für Glühbirnen, so dass ab März 1946 auch wieder neue Glühbirnen in West-Deutschland produziert werden konnten.

Zeitungsartikel 1946


Die Produktion von Neulampen und reparierten, bzw. umgearbeiteter Birnen lief noch eine ganze Weile nebeneinander. Die Firma Dr. Fischer baute sogar noch Ende der 60er Jahre serienmäßig aus Amerika bezogene 12 Volt Autobirnen auf die damals noch in Deutschland gebräuchlichen 6 Volt um.

Glühbirne 1946Glühbirne 1946
Links ist die Beschriftung der Kuppel einer unreparierten Birne zu sehen. Bei der rechten Aufschrift sind die mittleren Buchstaben des Osram-Schriftzuges verschmolzen. Zudem befindet sich dort eine Abrissmarke des Haltestabs.

Glühbirne 1946Glühbirne 1946Glühbirne 1946
Links befindet sich eine 110Volt Glühbirne in Original Zustand.
Bei der Birne in der Mitte wurden die Fadenhalter seitlich abgespreizt, um einen längeren und dünneren Glühfaden für den 220 Volt Betrieb einsetzen zu können. Deutlich ist die blaue Verfärbung des Fadensockels zu erkennen, die durch die hohe Temperatur beim Zuschmelzen verursacht wurde.
Bei der rechten Birne erkennt man sehr gut, dass die Zuleitungen des Glühfadens per Hand abgespreizt wurden. Der längere Glühfaden deutet auf eine höhere Wattleistung bei 220 Volt hin. Auch hier ist die Verfärbung des Sockels sehr gut erkennbar. Ev. wurde hier eine Chemikalie mit erhitzt, die beim Zuschmelzen den Sauerstoff im Glaskolben verbrauchte, damit der Glühfaden nicht beim späteren Betrieb in einer Sauerstoffumgebung verbrennt.

Eine weitere Möglichkeit bestand darin, einfach einen Vorwiderstand vor die Glühbirne zu schalten, der die 220 Volt Spannung auf 110 Volt herunter regelte. Der Vorteil eines Vorwiderstandes gegenüber eines (erheblich teureren) Transformators war der, dass er auch mit Gleichstrom funktionierte. Dafür verbrauchte er genau die gleiche Energie, wie der an ihm angeschlossene Verbraucher.

Vorwiderstand 220/110Volt
Vorwiderstand 220 Volt auf 110 Volt für Glühbirnen bis 500 Watt Gesamtleistung



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