Ersatzllösungen für Leimverbindungen

Unter dem Thema Leimversorgung hatten wir darüber geschrieben, dass es in der Nachkriegsjahren 1945/46 fast nicht möglich war, Leim zu beschaffen.
Zugleich wurden aber Hausrat und Spielsachen in hohem Maß benötigt. Als Ausgangsmaterial, das praktisch von jedermann genutzt werden konnte, stand hierzu Holz zur Verfügung. Problematisch war es eher, Gegenstände dauerhaft aus einzelnen Holzbauteilen zusammenzufügen. Traditionell wurden solche Verbindungen mit Leim erstellt, allerdings stand dieser nur in äußerst geringem Maße zur Verfügung. Auch Holzschrauben waren offenbar nicht erhältlich, was man aus dem Umstand schließen kann, dass in der Zeit 1945/46 kaum verschraubte Holzobjekte auftauchen.
Neue Nägel waren nur in geringem Maße beschaffbar, allerdings wurden sie in großem Umfang aus Altholzbeständen herausgezogen und neu verwendet.
Aus diesem Mangel entstanden folgende drei Fertigungsverfahren und Mischungen aus diesen Bauarten.

a) Massiv-Bauweise

Einfach und aufwendig zugleich war die Massiv-Bauweise. Einfach, weil es keine Holzverbindung gab und man sich nicht aufwendig Verbindungselemente wie Nägel, Schrauben oder Leim beschaffen musste. Aufwendig, weil sich bei dieser Produktionsweise der zeitliche Aufwand vervielfachte. Aber auch das muss man relativieren, denn die Suche nach einem geeigneten Verbindungsmittel war ebenfalls zeitaufwendig.
Nachteil dieses Bauweise ist, dass die mechanische Belastung bei dreidimensionalen Objekten, wie z.B. Spielzeugen, nicht nur auf einer Ebene erfolgt, sondern häufig Kräfte in allen drei Ebenen wirksam werden. Um es weniger technisch an einem Beispiel zu erkären: Sägt man z.B. einen Puppenstubentisch aus einem massiven Block Holz, so muss man sich entscheiden, ob die Holzfaserrichtung in der Ebene der Tischplatte liegen soll oder aber in Richtung der Tischbeine. Egal wie man sich entscheidet, im ersten Falle brechen die Beine sehr leicht ab, im zweiten Fall ist die Tischplatte bruchgefährdet. Und das bestätigen auch heutige Funde solcher Spielsachen, Oft sind dünne Bauteile, bei denen die Holzfaser quer zum Bauteil lag, weggebrochen.
Ein sehr schönes Beispiel für diese Methode ist die hier abgebildetet Puppenhaus Ausstattung, die mit einer Laubsäge nahezu abfalllos aus einem massiven Stück Buchenholz (14x7,2x4,5cm) gesägt wurde. Die hohe Nutzung des Holzmaterials und die Findingkeit sind beachtenswert. Außer dem Sägemehl, das notgedrungen anfiel, wurde alle Holzsubstanz des Blockes verwendet.

Handarbeit aus dem Vogelsberg, typisch nicht nur die Bauweise, sondern auch die Bemalung.

Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945
zusammengepackt 14x7,2x4,5cm

Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945 Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945

Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945 Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945
es fehlt einer der beiden Hocker

Puppenstubeneinrichtung kompakt 1945
Puppenstubeneinrichtung komplett aufgebaut.

b) gesteckte Verbindungen

Nachteil dieser Verbindungsart ist, dass die Verbindungen nach Trocknung des Holzes wackeling werden und sich leicht lösen. Häufig findet man diese Methode bei Spielsachen aus Sperrholz.

Puppenbank  1945
Puppenbank aus Sperrholz, Seitenteile in die Platte eingesteckt, die ehemals unten angenagelte Längsverstrebung fehlt

Spielzeughund
Hundefigur um 1947/48, dickes bemaltes Möbelsperrholz, Figur in Bodenplatte eingesteckt aber zusätzlich durch quer eingeschlagene Nägel gesichert.

c) genagelte Verbindungen

Neben dem Aspekt, dass neue Nägel insgesamt und vor allem kleine Nägelchen kaum zur Verfügung standen, war auch diese Verbindungsart nicht ideal. In der Nachkriegszeit wurde zwar jeder noch so krumme und rostige Nagel aus dem Altholz gezogen und in Dosen gesammelt, weshalb gebrauchte Nägel meistens irgendwie beschaffbar waren, sofern man etwas zum Eintauschen hatte. Der Nachteil war, dass diese eben nicht immer ganz gerade oder nicht genügend klein waren und oft stirnseitig genagelte dünne Brettchen bzw. Sperrhölzer aufsprengten. Zudem lockerten sich solche Verbindungen bei Gebrauch der Objekte sehr schnell wieder.

Tiere Spielzoo 1945
Zootiere, Elefant auf Platte gestellt und von unten vernagelt

Puppenzimmertisch Puppenzimmertisch
Puppenzimmertisch. Der Kranz ist gegeneinander und an die Platte genagelt. Deutlich auch erkennbar, dass die Beine komplett mit den Seitenteilen des Kranzes aus je einem Stück gesägt sind. Zwei der Beine sind abgebrochen, ein weiteres war zu einem Zeitpunkt, an dem Leim wieder verfügbar war abgebrochen und ist verleimt.

Puppenzimmereinrichtung um 1946
komplette Puppenzimmereinrichtung um 1945/46, alle Teile vernagelt



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