Kleidung aus Wehrmachtsmaterial


Kleidung aus Stoffen und Gewebe des Militärs ist nur aus der Sicht Konversion, dass eben alles, was aus Rüstungsmaterial zu zivilen Produkten geändert oder gefertigt wurde, unter dem Begriff Rüstungskonversion fällt.
Konkret gilt, dass bis in die 60er Jahre des 20ten Jahrhunderts in den Haushalten generell getragene Kleidung und ausgemusterte Stoffprodukte zur Wiederverwertung oder Abänderung aufgehoben wurden. In praktisch jedem Haushalt stand seit Generationen eine Stoffkiste mit alten Stoffresten, aufgetrennten Kleidungsstücken und ausgemusterter Kleidung, die aus Sparsamkeitsgründen in der Absicht aufgehoben wurden, sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut ganz, in Teilen, als Flicken oder wenigstens als Lappen verwenden zu können.
Insbesondere auf dem Land wusste man noch zu genau, welche Mühe, Arbeit und Zeitaufwendung in dem Spinnen von Fäden, dem Verweben der Fädern zu Stoffen und dem Zusammennähen der Kleidung steckte. Man hätte es als Frevel empfunden, diese Werte einfach wegzuwerfen, so lange es noch die Möglichkeit des Bedarfs bestand.
Zudem kam hinzu, dass das Kaufen von Stoffen oder ganzer Kleidung oft mit zig Kilometern Fußweg bis in die nächste Stadt verbunden war, deutlich länger als der Griff in die Stoffkiste und das Anfertigen eines Kleidungsstück aus aufgehobenen Resten.

Aber in der Nachkriegszeit gab es auch in den Städten keinen Stoff zu kaufen.

Bereits unmittelbar bei Kriegsbeginn am 1. Sept. 1939 waren Stoffwaren und fertige Kleidung rationiert gewesen und daher für die Zivilbevölkerung knapp. Das Militär hatte nicht nur Vorrang, sondern war selbst ausgesprochen knapp an Stoffen für Ausrüstung und Uniformen, so dass auch hier mit fortschreitendem Krieg mehr und mehr Material eingespart wurde und Ersatzstoffe oder Fremdstoffe (italienische Stoffe etc.) eingesetzt worden waren.
Was nutzte daher die Reichskleiderkarte, die der Zivilbevölkerung Anspruch auf Kleidung und Stoffen zusprach, wenn de facto die Geschäfte keine Ware hatten.



Kleiderkarten für Kleinkinder 1-2 Jahre, hier 1941/42, 19445 und Nachkriegszeit 1948

weitere Kleiderrationierungskarten 1939-1945


So veröffentlichte die Propagandazeitschrift Signal bereits im Februarheft von 1945 das Foto einer Frau, die sich ein Kostüm aus aus Resten von 6 verschiedenen Wolldecken geschneidert hatte, als Beispiel für die Möglichkeit, trotz aller Einschränkungen schick und modisch auszusehen.

Auch die Stoffkisten waren vielerorts längst aufgebraucht, denn in den letzten Kriegsjahren hatte das Deutsche Reich mehr oder weniger mit Druck dazu verpflichtet, aus den vorhandenen Stoffresten Wintersachen für die deutschen Soldaten an der Ostfront zu fertigen, die dann vom Winterhilfswerk an die Soldaten abgegeben wurden. Das waren wegen des Uniformsgebots der Genfer Konvention vor allem wärmende Unterkleidung und Winterhandschuhe.

typische von Hausfrauen gefertigte Handschuhe aus verschiedenartigen Stoffresten, wie sie vom Winterhilfswerk an die Front geliefert, allerdings auch von Arbeitern der späten Kriegs- und Nachkriegszeit verwendet wurden.
Es ist daher ein Beispiel für die Kontinuität der Verwertung, dass Frauen nach dem 8. Mai 1945 nicht anders gebrauchte und getragenen Stoffe wiederverwerteten wie bereits vor dem 8. Mai 1945. Das einzige, was sich geändert hatte. Im Winterkrieg 1944/45 hatten viele Frauen angesichts der desolaten Versorgungslage der Wehrmacht ihre Bestände an Stoffresten für Gaben an das Winterhilfswerk aufgebraucht. An zivielen Stoffen stand daher kaum noch etwas zur Kleiderfertigung zur Verfügung. Dafür standen nun jedem Menge Stoffmaterial und Kleidung der Wehrmacht und von anderen Behörden zur Verfügung. Viele Soldaten, Polizeiverbände und vor allem SS-Einheiten, hatten sich gegen Kriegsende ihrer Uniformen entledigt, um so einer Gefangennahme zu entkommen, die Besatzungen hatten die Kasernen und Kleiderkammern verlassen, Fahnen, Fallschirme, Zeltplanen, Fahrzeugplanen und vieles mehr lag herum oder wurde auf dem Schwarzmarkt angeboten.


Stoff aus Kleiderkiste Bad Brückenau, ehemals NS-Hakenkreuzfahne


Stoff aus Kleiderkiste Bad Brückenau, ehemals Wehrmachtsmantel


Das einfachste wäre schlicht das Auftragen der Original Wehrmachtskleidung gewesen, was mit Gesetz No 8 Art. IV und der Verordnung No.4 Artikel 2 und 3, gültig ab 1.12.1945 allerdings verboten wurde, da die Alliierten die Möglichkeit einer heimlichen Wiederaufrüstung von Partisanenverbände und das Formieren neuer Nazis vorbeugend verhindern wollten.
Dennoch trugen Bauern auf dem Land ohne Bedenken unveränderte Wehrmachtskleidungsstücke - allerdings ohne Abzeichen - bei der Feldarbeit bis weit in die 50er Jahre auf.
Nach Alliierter Gesetzgebung mussten Uniformen jedoch strafbewehrt zumindest schwarz oder blau eingefärbt werden . (Sinnigerweise konnten so die originalen, schwarzen Kleidungsstücke der Allgemeinen SS, also der für die Judenverfolgung maßgeblichen Verbände, und vieler anderer schwarzen Verbände wie NSFK, NSKK, HJ etc. bis auf das Entfernen der Abzeichen unverändert getragen werden.)

Färbemittel der Firma Heitmann aus den 40er Jahren.


umgefärbte Jungvolk-Jacke


Viele Frauen beließen es allerdings nicht beim bloßen Umfärben, sondern änderten auch die Taschenaufschläge, bzw. trennten die Brusttaschen der Militärjacken ab, ersetzten Knöpfe und Krägen und gaben den Jacken das Aussehen von Trachtenjacken.
Schneiderläden boten in Kleinanzeigen das Anfertigen von Herrenanzügen gegen Abgabe einer Wehrmachtsuniform an. Das muss in sehr großem Umfang erfolgt sein. In den 70er Jahren erstand ich auf einem Schrottplatz eine 120 Liter Zinkbadewanne, die randvoll mit abgetrennten Wehrmachtsjackenknöpfen war und aus einem ehemaligen Darmstädter Schneidergeschäft stammte. Wehrmachtsknöpfe wurden allerdings auch zu zivilen Knöpfen konvertiert, weshalb die Schneiderrei die Knöpfe wohl auch aufgehoben hatte





verschieden bemalte Wehrmachtsknöpfe, rechts daneben die Original Wehrmachtsknöpfe - hier in Afrikatruppen Farbe. Es gibt hier ungezählte Muster


Mit Stoff überzogener Wehrmachts Uniformsknopf



Aus Fahnenstoff und Zeltplanen wurden Bettbezüge, Zeltplanen wurden zu Regenjacken, Wolldecken zu Winterjacken und Mäntel, Fallschirmseide zu Tischdecken, Unterkleidung, Strümpfen, Tauf- und Hochzeitskleidern. Aufgedrehte Fallschirmschnüre wurden zum Häkeln von Deckchen und Blusen verwendet. Tornister wurden zu Hand- und Einkaufstaschen, Tornister und Segeltuch zu Schulranzen vernäht. Jedes Stück Stoff, jedes Stück Leinen und jeder Fetzen Leder wurde fand so einen neuen Einsatz.


Bezug und Laken für Kinderbett aus Tarnzeltplanenstoff der Wehrmacht


Aber das Abändern von ehemaligen Militärkleidungsstücken reichte bei weitem nicht zur Versorgung aus.
Durch die enormen Wanderbewegungen, die durch Flucht, Vertreibung, Unbewohnbarkeit der ehemaligen Wohnung und durch die Auflösung der Armee und Lagern zustande kamen, waren viele Bürger nur unzureichend mit Kleidung versorgt.
Konnten doch viele Bürger bei der erzwungenen Aufgabe des alten Besitzes mangels Transportmittel nicht viel mehr als das mitnehmen, was sie am Leibe trugen.
Für Vertriebene kam noch hinzu, dass die Länder, von denen aus die Vertreibungen erfolgten, genaustens vorschrieben was die Vertriebenen überhaupt mitnehmen durften, und dies nach Gewicht und Gegenständen in hohem Maße beschränkten. Nicht selten wurden dann die wenigen Dinge noch während der Flucht nach Deutschland von der von den Deutschen zuvor ausgeplünderten Bevölkerung gestohlen.







Tschechische Formblätter, das obere listet auf 4 Seiten allen Hausrat, Schmuck, Kleidung und andere Vermögenswerte als konfiziert auf.
Das untere zählt auf, was in einem Koffer pro Person zum perönlichen Bedarf mitgenommen werden durfte.

Es mussten daher auch von Grund auf neue Textilien produziert werden. In ländlichen Bereichen wurden die alten Spinnräder, Haspeln und Webstühle wieder von den Dachböden geholt. Aber es wurden auch wieder neue Spinngeräte hergestellt, teils konvertiert aus Rüstungsmaterial. So wurde von einem Vogelsberger Schreiner ein Spinnradmodell in geringen Stückzahlen produziert, dessen Rahmen aus dem Gestänge des US Feldbettes besteht.
Häufiger als komplette Schreineranfertigungen sind jedoch Spinnräder, deren Rad und Spulenhalter aus Rüstungsaluminium gegossen sind, und die in großer Stückzahl produziert wurden.




Zur Kleidungsproduktion wurden natürlich in den Haushalten auch Schnittmuster gebraucht. Da allerdings auch Papier Mangelware war, wurden hier die Teile der Kleidungsstücke oft nicht in voller Länge dargestellt, sondern an den Schnittmustern stand ein Hinweis, dass zur Länge eine entsprechende Zentimeterzahl an Stoff zugegeben werden musste.
Selbst Schnittmuster wurden von der Alliierten Militäradministration als Schriftwerke unter Zensur zum Druck freigegeben, weil sie so sicherstellen wollten, dass mit diesen kein nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet wird.


Originale, zensierte Schnittmuster des US-Besatzungsgebiets Bayern, teils mit Hinweis, dass die Längen der Muster mangels Papier gekürzt und beim Stoffschnitt zuzugeben sind.

Andere Hilfsmittel zum Schneidern, die aus Konversionen zu finden sind:


Schneiderrad aus Wehrmachts Sporen


Nadelkissen, hergestellt aus dem Filtergewinde der Volksgasmaske


Nadelkissen, hier nicht erkennbar, Rückseite aus Wehrmachtsstoff

Aber nicht nur rein notwendige Dinge wurden hergestellt, wie Kleidung und Hamsterer Rucksäcke.


Hamsterer-Rucksack aus Zeltstoff und Litze und Gurte der Wehrmachtsjacke


Trotz aller Not war die unmittelbare Nachkriegszeit nicht nur von Trauer, Not und Arbeit geprägt. Gerade nach den Entbehrungen des Krieges und befreit von den vielen lebenseinschränkenden Vorschriften des Dritten Reiches wurde auch gerne gefeiert und getanzt.


Faschingsmütze, hergestellt unter Verwendung von Mützenteilen einer Wehrmachts Mannschaftsmütze


Zur Kleidung gehörte natürlich auch Schmuck. Auch dieser wurde als Notfertigungen aus Rüstungsmaterial oder Abfällen hergestellt. Bekannt sind Ringe etc. an denen die 'Edelsteine' aus dem Plastik von farbigen Zahnbürstengriffen hergestellt worden waren.
Die unten aufgeführte Brosche wurde von der Schmuckfirma Hamand serienmäßig aus Aluminiumblech hergestellt.



Zum Verwahren des Schmuckes griff man gerne auf Schmuckdosen zurück, die aus dem Gehäuse von Wehrmachts- oder Volksgasmaskenfiltern produziert worden waren.




verschiedene Ausführungen von Schmuckdosen, die aus dem Wehrmachts Gasmaskenfilter hergestellt wurden. Dabei zu sehen die original Gasmaske, bzw. der Filtereinsatz.