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Notfertigungen 1945 - 1948

Man darf nicht dem Irrtum unterliegen, dass die Konversion des Rüstungsmaterials nach dem Kriege Ausdruck einer pazifistischen Wandlung gewesen wäre. Der manchmal gesprochene Vergleich 'Schwerter zu Pflugscharen' geht vollständig fehl.
Kinder spielten nach dem Krieg weiter mit Waffen.

Deutsche Nachkriegszeit, Kind spielt in Panzer

Da genügend echte Waffen herumlagen, sogar mit diesen, statt mit Spielzeugen, die viel weniger verfügbar waren.

Trotz Durchsuchungsaktionen der Alliierten, die insbesondere in Städten jedes Haus auf Waffen kontrollierten, hielten viele Bürger Waffen versteckt, - trotz Androhung der Todesstrafe für Waffenbesitz.
So besaß meine mit 2 Kindern alleinstehende Großmutter in Wiesbaden mehrere Maschinengewehre, die sie bei Kriegsende in der Stadt aufgelesen hatte. Diese warf sie erst nach Drängen des älteren Sohnes schnell in einen nahegelegenen Bombentrichter, weil die amerikanischen Durchsuchungstruppen bereits wenige Häuser nahe gekommen waren und in den Häusern, in denen Waffen gefunden wurden, den gesamten Hausrat aus den Fenstern warfen und die Personen verhafteten.
Gerade auf dem Land wurden allerdings viele Waffen versteckt und befinden sich noch heute, 60 Jahre nach Kriegsende, in den entsprechenden Familien. Ich könnte hierzu viele Beispiele anführen.

Die Rüstungskonversion war daher alleine Ergebnis des fast vollständigen Mangels an anderen Rohstoffen. Nun bedeutet diese in hohem Maße erfolgende Nutzung des Kriegsschrottes ja nicht, dass andere Rohstoffquellen ungenutzt blieben.
Im Gegenteil, sie unterstreicht, dass alles Verfügbare genutzt wurde, selbst der Rüstungsschrott.
Mangels Energieträgern standen auch die Glashütten still. Zumal auch sie Rüstungsgüter, z.B. Minenkörper aus Glas, die mit Suchgeräten nicht zu orten waren, hergestellt hatten. Aus diesem Grunde wurden selbst Glühbirnen recycled. Die Glasbirnen wurden aufgeschmolzen, der Glühwendel repariert, und die Birnen mit Kohlendioxid oder, wenn vorhanden, mit Edelgas gefüllt und zugeschmolzen. Man konnte daher zeitweise Glühbirnen nur bei Abgabe von mehreren defekten Birnen erhalten. Nach der Währungsreform bauten solche 'Recyclingbetriebe', wie z.B. die noch heute existierende Firma Dr. Fischer in Limburg, US Glühbirnen nach gleichem Prinzip von 110V auf 220 Volt um. Nur wer ein altes Bauernhaus besitzt, wo in einem Kellerraum oder Stall seit 6 Jahrzehnten keine Glühbirne mehr ausgewechselt wurde, hat heute noch eine Chance, eine recycelte Birne der Nachkriegszeit zu finden. Allerdings ist diese Eigenschaft nur nach intensivem Begutachten erkennbar. (Glühbirne der Nachkriegszeit, Glühbirne der Nachkriegszeit

Viele Handwerker besannen sich in der Nachkriegszeit wieder auf Methoden und Produkte, mit denen sie in ihrer Kindheit noch in Berührung gekommen waren, als das Leben in vielen kleinen Landgemeinden noch ziemlich autark ablief, und dort praktisch das meiste, was benötigt wurde, an Ort und Stelle aus heimischen Rohstoffen hergestellt wurde.

So wurden von den Frauen wieder die Spinnräder von den Dachböden geholt. Und wegen des großen Bedarfs wurden neue Spinnräder, teils als Konversionen von Militärmaterial, wieder hergestellt.
Männer setzten sich an die alte, noch im Schuppen stehende Schnitzbank des Vaters und begannen Holzschuhe und andere Holzgeräte herzustellen.
Alte Autogetriebe wurden über Transmissionen als Antrieb von Drechselbänken verwendet, auf denen so ziemlich alles produziert wurde, was der Markt benötigte. Das waren vor allem Stiele für Gartengeräte, denn der Anbau von Gemüse, Kartoffeln etc. war überlebenswichtig. Aber auch Becher, Teller und Schalen wurden aus Holz gefertigt.
Eltern und Kleingewerbetreibende fertigten Spielsachen aus Holz, das häufig aus ausgebombten Hausruinen geholt bzw. demontiert wurde. Man musste allerdings schneller sein als der Teil der Bevölkerung, der das Holz zum Heizen und Kochen suchte.
Holzhandläufe von Treppengeländern eigneten sich durch das vorgegebene Profil vorzüglich zur Fertigung von Motorhauben von Spielzeugautos und Eisenbahnkesseln. Einfach ein entsprechend langes Stück absägen und Radscheinen annageln - notfalls die Verschlusspappscheinen von Leuchtpatronen - fertig. Bemalt, wenn überhaupt, wurden diese Spielzeuge häufig mit Wehrmachtsfarben, die einzigen Farben, die zur Verfügung standen. Hatte doch die chemische Industrie in den letzten Kriegsjahren nur noch für den Rüstungsbedarf gearbeitet. Aus diesem Grunde waren alle chemischen Betriebe, die ja auch Sprengstoffe hergestellt hatten, nach dem Krieg geschlossen. Das hatte zur Folge, dass es auch weder Streichhölzer noch Leim gab. Findige Köpfe bauten daher abenteuerliche elektrische Feueranzünder nach dem Glüh- oder dem Funkenprinzip- teils aus Holz und Schrott, teils durch Rüstungskonversion.
Viele Holzspielsachen der Zeit oder andere Holzwaren sind daran erkenntlich, dass sie entweder aufwendig aus einem Stück gefertigt wurden, wodurch sich Leimverbindungen erübrigten, oder aber genagelt waren.
Allerdings waren auch Nägel Mangelware, sodass oft viel zu große und ungeeignete Nägel verwendet wurden.
Wegen dieser notwendigen privaten Bautätigkeit, wurde jeder auch noch so krumme und rostige Nagel aus dem Altholz gezogen und in einer Blechdose aufbewahrt. Noch heute finden Entrümpler in alten Haushalten regelmäßig solche alten Nageldosen mit rostigen, krummen Nägeln.
Aus den zerbombten Häusern wurde jedes Gramm Metall gewonnen, teils an Metallhütten geliefert, teils wieder hergerichtet und neu verwertet, oder aber in mühseeliger Handarbeit per Hammer und Feile in einen Nutzgegenstand konvertiert.

Auch der Steinschutt der zerbombten Häuser wurde weiterverwertet. Bekannt ist die TVG Frankfurt (TVG = Trümmer-Verwertungs-Gesellschaft), die den meterhoch auf den Straßen liegenden Häuserschutt per Feldeisenbahn an den Stadtrand brachten, wo die noch brauchbaren Steine von Putz und Speißresten freigeschlagen und wieder verkauft wurden. Der Steinstaub wurde gesammelt, mit Kalk oder Zement versetzt und daraus neue Steine gegossen. Solche Trümmersteine wurden im weiten Umkreis verbaut. Schwarzhänder und Hamsterer brachten sie im Rucksack als Tauschware aufs Land. Man erkennt sie daran, dass sich in diesen grau-weißen Steinen mit bloßem Auge sichtbar Kohlestücke, Glaskrümmel, ja sogar Knochenreste befinden.
Als ich hier in meinem ehemaligen Bauernhaus, 42km von Frankfurt entfernt, den Putz von einer in der Nachkriegszeit eingezogenen Trennwand abschlug, um dort neue Leitungen zu installieren, stieß ich auf ein 1-2qm großes Feld von Trümmersteinen, die offenbar durch den Tauschhandel mit dem Bauern ihren Weg von Frankfurt hierher gefunden hatten.

Notfertigungen aus Schwarzblech sind nur eventuell daran erkennbar, dass die, sich ansonsten nicht von den Produkten der Zeit vor dem 1. Weltkrieg unterscheidenden Objekte, offenbar mit recht geringem Zeitaufwand und/oder ungeeigneten Werkzeugen gefertigt wurden.


Für diese Notfertigungen wurden neben praktisch ungezählten nicht idendifizierbaren Metallteilen aus Trümmerhäusern häufiger verwendet:
  • Draht
  • Dachrinnenblech
  • Schwarzblech
  • Ofenrohr
  • Holz von Handläufen von Treppengeländern und Möbeln
  • Frischholz
  • Autoreifen

Dennoch kann man in den überwiegenden Fällen nicht belegen, dass der Gegenstand aus recyceltem Altmaterial hergestellt wurde. Auch wenn die Verfügbarkeit dafür spricht, dass z.B. ein Spenglerartikel aus recyceltem Dachrinnenmaterial gefertigt wurde, ist das kein Beweis. Es kann durchaus sein, dass ein Spengler den Artikel aus einer noch vorhandenen Tafel Weisblech gefertigt hatte. Liste mit Notprodukten

3. Ergänzt wurden diese Notprodukte durch Rüstungskonversionen.

© horst decker