Eine Reise durch Nachkriegsdeutschland


Zeugen der Nachkriegszeit werden immer weniger. Die Bürger, die das Ende des Krieges und die damit verbundenen Jahre des Lebens in Trümmern und Not als Erwachsene oder zumindest als Jugendliche eleben mussten, erreichen langsam die absolute Spitze der Altersstatistik.
Kinder der damaligen Zeit haben wohl noch eine statistische Lebenserwartung von rund 10-20 Jahren, aber ihre Erinnerungen an die Nachkriegszeit sind sehr lückenhaft und in vielen Fällen auf die engeren Vorkommnisse in der eigenen Familie beschränkt.
Die Eltern haben damals mit ihren Kindern nicht über die alltäglichen Sorgen gesprochen und mehrheitlich versucht, sie vor den alles umfassenden Nöten des Überlebens fern zu halten. Das mag zum Teil Fürsorge gewesen sein. Aber es lag auch nicht zuletzt daran, dass sich die meisten Eltern der Nachkriegszeit scheuten, über die damalige politische Situation zu sprechen. Hätte das doch sofort zur kindlichen Frage geführt, warum Deutschland in diese schreckliche Situation gekommen ist. Aber darüber, über die Geschehnisse im Dritten Reich und über den Krieg wollten die Erwachsenen damals nicht reden. Sie wollte die Zeit, die sie selbst im großen Maße traumatisiert hatte, verdrängen und vergessen und hier keine unbequemen Fragen beantworten, die alle Erinnerungen wieder mobilisieren mussten.

Um so wichtiger ist es, schriftliche, noch besser, bildliche Dokumente der Zeit zu sichern.
Hierzu wurden in den letzten Jahren erfreulicherweise viele Zeitzeugen befragt und deren Berichte in Archiven dokumentiert.
Aber, was wären diese Berichte ohne Fotobelege?

Hier sieht es, vor allem, was den privaten Alltag betrifft, recht trübe aus.
Während des Krieges haben allenfalls Dienststellen die zerbombten Städte fotografiert. Zu groß wäre das Risiko für Privatpersonen gewesen, wegen Spionage oder Wehrkraftzersetzung vor Gericht gestellt zu werden, was letztlich zur Todesstrafe hätte führen können.
Zudem hatte ja nicht jede Familie überhaupt einen Fotoaparat und Filme dafür waren kaum zu beschaffen.

Das Beschaffungsproblem verschärfte sich nach Kriegsende. Wegen ihrer Rüstungsproduktion, alle chemischen Betriebe hatten u.A. Sprengstoffe und andere Produkte für die Wehrmacht hergestellt, ware alle deutschen Chemiefabriken nach dem Krieg vorerst geschlossen. Wer sollte hier Filmmaterial herstellen?

Filme galten auch nicht als wichtige Lebensgrundlage und wurden daher mangels Devisen nicht importiert.
Nur, wer den Besatzungsmächten angehörte, bei einer der Militärregierungen arbeitete, zu Soldaten der Besatzungsarmeen gute Kontakte hatte oder für die zugelassene Presse arbeitete, war in der Lage, Filmmaterial zu beschaffen.
Das traf im großen Maße für die gesamte Landbevölkerung nicht zu.

Aber auch Besatzungssoldaten fotografierten nicht systematisch die Lage in Deutschland, sondern eher ihre Familien, Freunde und Arbeitsumgebung.

Uns liegt als Ausnahme ein Fotoalbum eines französischen Unteroffiziers, ev. in Mainz stationiert oder bei der Militärregierung von Rheinland-Pfalz oder Hessen beschäftigt. Wenigstens sind uns sein Name und seine ehemalige Heimatanschrift bekannt. Sie sind auf seinem Passbild vermerkt.



Das Foto stellt den französischen Unteroffizier:

Georgs Ory
44 Rue St. Victor
Verdun

dar.
Er unternahm Juli 1946 - Sept. 1946 als Besatzungssoldat der französischen Armee von Wiesbaden aus eine Reise durch das zerstörte südwestliche Deutschland und fuhr dann weiter über Österreich nach Italien.
Ihm verdanken wir eine Fotoalbum, in dem er Ortsansichten der wichtigsten Stationen seiner Rundreise bewahrt hat.

Leider fehlen einige Bilder, Auch scheint die Reihenfolge teilweise geändert, wohl weil spätere Besitzer lose Bilder falsch wieder eingeklebt haben.


Karte der französischen Besatzungszone Deutschlands







Wir werden das Fotoalbum nach und nach und Seite für Seite hier veröffentlichen.

Album - Seite 1 - Wiesbaden 1946

© horst decker